Dr. Sleep liefert eine der besten Stephen King Verfilmungen

Ich bin tatsächlich riesiger Stephen King Fan und halte ihn für einen Meister, was das Schreiben angeht. Leider wurden in der Vergangenheit die meisten Verfilmungen seinen Büchern nicht ansatzweise gerecht. Nicht wenige wurden komplett in den Sand gesetzt und so lassen sich die wirklich guten Filme bedauerlicherweise an einer Hand abzählen. Umso gespannter war ich natürlich, als ich erfuhr, dass jetzt auch Dr. Sleep verfilmt werden soll. Und schon mal vorneweg: Ich wurde nicht enttäuscht.

Mit Stephen King Verfilmungen ist es immer eine Sache. Er ist ein Meister darin, Dinge sehr ausführlich und lebhaft im Buch zu beschreiben und Horror im Kopf entstehen zu lassen. Gerade das macht es aber in meinen Augen extrem schwierig, seine Bücher zu verfilmen. Gerade in den 1970er-2000er Jahren entstanden eine Vielzahl von Filmen, die nicht mal als Trash durchgehen, so schlecht sind sie. 2017 kam dann mit dem riesigen Erfolg von Es ein regelrechter Stephen King Hype auf. So entschieden sich die Filmstudios, auch Dr. Sleep zu verfilmen.

Dr. Sleep macht das richtig, was Es nicht konnte

Ich oute mich direkt: Ich bin kein wirklich großer Fan der Verfilmung von „Es“. Der erste Teil funktioniert für mich als Film noch, wobei er weniger als Horror, sondern mehr als Coming out of Age Film angesehen werden kann. Teil 2 wurde dann völlig in den Sand gesetzt mit drögen, sich immer wieder wiederholenden „Horror“-Szenen ohne Überraschungen, Verstand oder einen roten Faden. Knapp 3 Stunden fühlen sich dann gerne mal wie 6 an. Dabei muss ich den Regisseur doch trotzdem ein wenig in Schutz nehmen, denn „Es“ ist und bleibt für mich unverfilmbar. Ein Monster in Form eines Clowns, dass die Form der Ängste seiner Opfer annimmt. So etwas funktioniert im Kopf, aber nicht im Film. Daher hat Dr. Sleep schon im Vorn herein deutlich bessere Voraussetzungen.

Ein großes Thema bei Buchverfilmungen ist auch, inwieweit man sich an das Buch hält. Greift man nur die Grundidee auf, geht man das Risiko ein, sowohl den Autor als auch die Leserschaft zu vergraulen. Bleibt man zu sehr am Buch, entsteht im schlimmsten Fall nur eine billige 1 zu 1 Kopie ohne Mehrwert. Gerade dabei schafft der Regisseur bei Dr. Sleep den perfekten Spagat.

Das „Shining“, was alle verdient haben

Spricht man von Dr. Sleep kommt man auch nicht drumherum über den Vorgängerfilm zu sprechen. Ich mache keinen Hehl daraus, ich bin absolut kein Fan von Shining, genauso wenig wie Stephen King selbst. Als Film alleine funktioniert er tatsächlich gut, wobei ich den Hype nie wirklich verstanden habe. So fehlen doch tatsächlich einige Dingen, um aus dem guten Film ein überragendes Oscar-Meisterwerk zu machen (ich erinnere mich nur an die Goldene Himbeere Performance von Dannys Mutter). Kennt man jedoch das Buch, kräuseln sich einem die Fingernägel, wie Shanley Kubrick die Dinge in dem Film verdreht.

Jack Nicholson war von Anfang an eine Fehlbesetzung, wenn es darum geht, den Film nur ansatzweise so zu verfilmen, dass er dem Buch gerecht wird. Zudem mit Stanley Kubrick ein Regisseur, der die Kunst und den Wunsch, etwas komplett Eigenes zu schaffen, über alles andere stellt. Herausgekommen ist ein Film, den die Kritiker lieben und die Stephen King Leser zerreißen. Ich sage nur so viel: Jack Torrance ist nicht von Anfang an böse. Er ist ein liebevoller Familienvater mit Vergangenheit, die das Hotel – das pure Böse – aus ihm herauskitzelt und ihm zu etwas werden lässt, was sogar sein eigenes Kind ermorden möchte. Doch genug vom Vorgeplänkel, jetzt kommen wir tatsächlich zu Dr. Sleep.

Direkte Anknüpfung für Shining-Fans

Dr. Sleep setzt dabei genau da an, wo Shining aufgehört hat. Danny und seine Mutter überlebten die Schreckensnacht, er wird aber als Kind immer noch von den Geistern des Overlook gejagt. Er lernt, sie wegzusperren, doch seine Vergangenheit lässt ihn auch als Erwachsenen nicht los. Der Film fühlt sich dabei für mich als Buchkenner permanent wie ein Déjà-vu an. Er arbeitet sehr buchnah. Alles fühlt sich aber trotzdem neu und unbekannt an, was natürlich auch daran liegen kann, dass die Lektüre des Buches auch schon einige Jahre zurückliegt. Dabei funktioniert für mich gerade diese episodenartige Erzählweise grandios. Durch den Sprung immer wieder hin zu den einzelnen Charakteren und Handlungssträngen kommt so nie Langeweile auf.

Die Besetzung finde ich dabei auch grandios, vor allem Rebecca Ferguson als Bösewichtin Rose the Hat ist ganz großes Kino. Wenn sie als Anführerin des Knotens Kinder entführt und sie quält, nur, um so an den wohlschmeckenden Steam zu kommen, zeigen sich hier ganz neue Facetten von Horror, der in meinen Augen aber nicht nur im Kopf stattfindet, sondern fast schon körperlicher Natur ist. Vielleicht daher auch der absolut fehl gewählte Titel „Dr. Sleeps Erwachen“ – Rose the Hat wird nämlich bestimmt den ein oder anderen Kinobesucher im Traum erwachen und besuchen.

Das Ende macht Dr. Sleep noch mal überragender

Wie viele Stephen King Leser wissen, sind Enden eine große Schwäche von Stephen King. Gerade da zeigt sich aber im Film wie Stärke des Regisseurs. Denn hier weicht er von den ausgetretenen Pfaden des Buches ab und macht dabei so ziemlich alles richtig, was man richtig machen kann.

Im Buch selbst steht das Overlook nicht mehr. Jack Torrence hat es am Ende von Shining durch den Heizkessel in die Luft gejagt. Der Showdown findet auf dem Campingplatz des Knoten statt, wo zufällig früher das Overlook stand – und Danny erhält Hilfe von seinem verstorbenen Dad. Diesen Weg kann der Film dabei natürlich nicht gehen, bleibt auch trotzdem auf seine eigene Weise buchgetreu und verlegt den Schauplatz ins Overlookhotel.

Dabei weist man Shining die Ehre, lässt Charaktere und Momente wieder aufleben, zeigt dem Film aber trotzdem auf, was er falsch gemacht hat. Denn wie sagt Abra so schön zu dem Wahnsinn zu verfallen drohenden Danny: „Das bist nicht Du, das ist das Hotel, das pure Böse“. Wenige Minuten später erweist man auch dem Buch noch mal die Ehre und holt den in Shining verpassten Moment nach, mithilfe der Heizkessel das Hotel zu zerstören – was gleichzeitig Danny einen würdigen Tod beschert. Man könnte fast meinen Shining sei in einigen Facetten ein schlechter Film gewesen, um alles das dann Jahre später in einem Sequel nachzuholen.

Fazit: was ein grandioser Film. Selten habe ich 2,5 Stunden im Kino so genossen, mitgefiebert, Gänsehaut gehabt. Damit einer der besten Filme 2019 und auch locker unter den Top 10 Stephen King Verfilmungen. Was den Horror angelangt auch unangefochten auf Platz 1.

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